Ein Reisebericht von Stelrich

GC5V4HG - Madonna Cave

Bester Cache in meiner History (stelrich)

 

Wir schreiben den 16. Mai 2016. Von den Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg vorbei an den Vorhängen meines Schlafzimmers gebahnt haben, werde ich geweckt. Es ist bereits 8 Uhr und eine kurze Nacht liegt hinter mir, ging es doch erst gegen 3 Uhr ins Bett, weil der FTF eines Mysteries in der Nähe des Klosters Valledemossa, welches von meinem Lieblingskomponisten Frédéric Chopin im Winter 1838/39 als Winterdomizil diente, angegangen wurde.

Ja, ich befinde mich im Cacheparadies Mallorca. Eine fantastische Insel, die weit mehr als den Ballermann mit Mega Park oder das Oberbayern zu bieten hat, gerade und besonders, wenn es ums Cachen geht. Wunderbare Wanderungen, einzigartige Höhlen und Tropfsteinhöhlen, beeindruckende Felswände und Torents mit Abseilern der Extraklasse, atemberaubende Naturparks mit liebevoll ausgewählten Earthcaches, wundersame Lost Places, die einen auf schönste Reisen in die Vergangenheit mitnehmen. Dies und noch viel mehr gibt es hier zu erleben und genau hier hin hat es mich für einige Monate verschlagen.

Vom Leben verwöhnt, darf ich hier über ein weiteres zu Hause verfügen, von dessen großzügig geschnittener Terrasse, gelegen am höchsten Punkt von Calafornells, über Paguera, ich nun den Blick über die Bucht von Santa Ponça bis zu den Islas Malgrats und noch weiter genieße. Die frische Morgenluft verleiht mir direkt die nötige Energie für den vor mir liegenden Tag. Während meine Augen noch die glitzernden Sonnenstrahlen, die in den Wellen der Bucht ihr Spiel treiben wahrnehmen, überlege ich mir, was wir heute frühstücken werden. Auf dem Weg in die Küche begegnet mir meine Freundin Julia, die mich für ein paar Tage besuchen gekommen ist. Zusammen entscheiden wir uns für das klassische Pantomaca, Spiegelei, Manchego und etwas Longaniza. Bald ist der Tisch auf der Terrasse schön gedeckt, das Frühstück aufgefahren, still sitzen wir nebeneinander und genießen den Moment. Still, aber sehr glücklich, denn uns beide verbindet eine tief gehende Freundschaft, die in solchen Momenten sehr gut ohne Worte auskommt. Vielleicht liegt es aber auch an den wenigen Stunden Schlaf, die wir dem nächtlichen FTF Abenteuer zu verdanken haben, oder aber auch geschuldet, diesem wunderbaren Moment, dieser schönen Location, der gesamten Situation.

Nach dem Frühstück hole ich mein altes, gelbes Käfer Cabriolet aus der Garage, Jule hat die Küche schnell noch auf Vordermann gebracht und nun geht es los in Richtung Port d‘Andratx. Von Paguera nach Es Camp de Mar und dann die kleine Nebenstraße über den Bergrücken des Puig Cala Llamp nach Port d‘Andratx. Geduldig zieht der über 40 Jahre alte Wagen die Kurven nach oben, die Sonne im Gesicht, die frische Berg- und Mittelmeerluft um die Nase.

Unser Ziel heute morgen ist die Tauchbasis unseres lieben Freundes Lothar.

Lothar, ein Mann, der die 60 schon hinter sich gelassen hat, sich allerdings einer körperlichen und geistigen Fitness erfreuen darf, die manchen Mittzwanziger vor Neid erblassen lässt. Seit vielen Jahren hat es ihn schon auf die Insel verschlagen, hier hat er sein zu Hause für Herz, Seele und Körper gefunden. Ich glaube es gibt wenige auf der Insel, die sie so gut kennen wie er. Ob nun unter Wasser oder eben auch die Schönheit der Gipfel Mallorcas, sowie die sich darunter verbergenden Grotten und Höhlen. Orte, an die kaum ein Mensch kommt.

Nach einer ausgiebigen Begrüßung sitzen wir mit allen zusammen am großen Holztisch im Innenhof der Tauchbasis. Hier wird das Tagesprogramm besprochen, wohin es geht und wer mit wem taucht. Julia will heute auch ihren ersten Tauchcache angehen und bei mir geht es um nicht weniger als die berüchtigte Madonna Cave, die nur äußerst selten aufgesucht wird, denn hierzu muss man schon einiges an Taucherfahrung aufweisen können. Der Divemaster und Instructor Alex wird bei diesem Tauchgang an meiner Seite sein. Einige Tauchgänge haben wir schon zusammen absolviert und ich vertraue ihm voll und ganz.

Nachdem sich jeder sein Diving Equipment ausgesucht hat, schlüpfen wir in die Neoprenanzüge. Zur Feier des Tages habe ich mir einen funkelnagelneuen ausgesucht und genau dieser wird später noch eine entscheidende Rolle spielen. Inzwischen sitzt auch die Tarierweste, die Flasche und die Taucherbrille samt Flossen in der Hand geht es zusammen mit den anderen über die Straße, direkt ins Wasser des Hafens von Andratx. Ein paar Meter noch bis zum Boot der Tauchschule, auf welchem uns der Capitano Pedro schon freudig erwartet.

Bald sind alle an Bord, das Equipment ist verstaut und gesichert und langsam setzt sich das Boot in Richtung Hafenausfahrt in Bewegung.

So allmählich steigt doch etwas die Aufregung in mir, denn die Madonna Cave ist schon eine Herausforderung. Zum einen die Tiefe, zum anderen, der Unterwassertunnel und dann muss in der Höhle noch geklettert werden. Die Höhle liegt 15 Meter unter dem Wasserspiegel, doch geht es zuvor auf fast 30 Meter nach unten.

Nachdem wir das Hafenbecken verlassen haben, steuern wir Richtung Nordosten. Emsig kämpft das Boot gegen die heutigen Wellen an. Die Sonne strahlt vom Himmel, ich gehe zu Pedro, dem Kapitän und wir unterhalten uns über die Unterschiede der Sprachen Mallorquin und Katalan. So bekomme ich etwas die Aufregung in den Griff und tatsächlich hilft es.

Nach einer Weile kommen wir nun endlich am Divespot an. Ich schultere meine Flasche, verzurre alles wie es sich gehört, Flossen, Taucherbrille, checke den Rebreather, den Octopus, Flascheninhalt auf 200 bar, alles passt. Gegencheck von Alex, meinem Divebuddy und es kann losgehen.

Unser Descent wird uns heute auf 28 Meter Tiefe bringen, von dort geht es im Driftdive wieder auf 15 Meter hoch, dort befindet sich der Eingang zur Madonna Cave. Während wir langsam sinken, genieße ich den Blick into the Deep Blue, genial. Bis dato stimmt noch alles. Immer wieder checkt der Divemaster ob alles in Ordnung ist und bis jetzt ist es das. Als wir die 20 Meter Marke erreichen, stelle ich fest, wie sich mein Neoprenanzug am Hals inzwischen derart verengt hat, dass ich das Gefühl habe, ich bekomme keine Luft mehr. Das kann aber nicht sein, denke ich mir, was für ein Blödsinn. Leider neige ich dazu, mir Dinge einbilden zu können, die dann auch plötzlich keiner weiteren Hinterfragung bedürfen. Als wir auf 28 Meter unten sind ist es soweit, immer tiefer atme ich ein, mein Hirn beginnt verrückt zu spielen, und je tiefer ich einatme, umso weniger habe ich das Gefühl, ich bekäme Luft. Notaufstieg, was mache ich nun. Alex ist längst bei mir, ich gestikuliere ihm hektisch, dass ich keine Luft bekomme, er versucht mich zu beruhigen, ich will in den Notaufstieg, inzwischen meiner hektischen Atmung geschuldet, überall Luftblasen um mich herum, das Wasser scheint zu kochen, ich schlage wild mit meinen Armen um mich, dennoch schafft es Alex meine Handgelenke zu ergreifen, fest und sicher ist sein Griff, er zieht mich zu sich, fixiert meinen Blick, ich schaue in seine Augen, wie zwei ruhende Pole bohren sie sich mit seinem festen Blick geradezu durch meine Augen durch, bis tief in meinen Kopf. Langsam beginne ich wieder die Kontrolle über mich zu bekommen. Mir wird klar, ich stecke mitten in einer Panikattacke und ich erinnere mich an alles, was ich darüber gelernt habe und das Atemnot einer der Bestandteile ist. Ebenso weiß ich nun, dass es an mir liegt, wie ich damit umgehen will. Der Blick auf das Finnimeter verrät mir, dass ich bereits 105 bar verbraucht habe, normalerweise habe ich nach Beendigung eines Tauchganges die meiste Luft von allen im Scubatank. Mittlerweile hat sich meine Atmung wieder normalisiert, ich habe es geschafft wieder die Kontrolle zu übernehmen und bin Alex für seinen festen Griff und ebenso Blick sehr dankbar. Ferner spüre ich, dass ich wieder komplett bei mir bin und dass ab nun alles seinen normalen und angedachten Weg gehen kann.

Alex will den Tauchgang nun abbrechen und langsam wieder aufsteigen, doch ich kann ihn überzeugen, dass ich mich wiedergefunden habe und gerne den eigentlichen Plan erfüllen möchte. Er erzählt mir hinterher, dass ich wohl der einzige Mensch bin, den er kennt, welcher nach einer solchen Situation, sich wieder so gefangen hat und dann noch voll einsatzfähig war. Noch am selben Tag habe ich zwei weitere Tauchgänge absolviert und am Folgetag den Tauchcache in 36 Meter Tiefe.

Doch hier ging es nun erstmal weiter nach oben zum Höhleneingang. Dort vor dem Eingang steht ein Stein, der einer Madonna gleicht, ich passiere die Statue und begebe mich in den Tunnel, unsere Lampen leuchten den Weg, links, rechts, über und unter mir kommen die Felsen immer näher, wie eng wird dieser Tunnel und passe ich da inclusive der Flasche auf dem Rücken durch. Besonders jetzt realisiere ich, dass ich die zuvor erlebten Ängste tatsächlich komplett im Griff habe, denn ich bleibe völlig ruhig und genieße die Situation, erfreue mich an der Umgebung und dem Moment, bin völlig Herr meiner Sinne.

Schon bald gelangen wir in die Höhle und tauchen auf. Ein Lufteinschluss unter dem Meeresspiegel, das fasziniert mich total, die Luftfeuchtigkeit hier ist extrem hoch. Im Schein unserer Lampen spiegelt sich der feuchte Fels wieder. Die Höhle an sich ist geschätzte 18-20 qm groß und hat eine Höhe, soweit ich das erkennen kann, von etwa 4-5 Metern. Gegenüber des Tunnels erscheint das Gestein wie ein flacher Strand und links davon erhebt sich ein Grad, der wie ein Handlauf eines Geländers wirkt. Ich lege nun die Ausrüstung ab, jetzt muss geklettert werden, doch das ist recht einfach, denn durch den Neoprenanzug klebe ich am Fels wie ein Gecko. Im Listing steht, man müsse nur 2 Meter nach oben klettern, anscheinend liegt die Dose nun etwas höher, aber das ist wie gesagt ein Klacks und bald habe ich das Objekt der Begierde erreicht. Überglücklich ergreife ich den Container, leider ist das Logbuch so nass, dass keiner der mitgebrachten Stifte auch nur einen Strich auf das völlig durchweichte Papier bringt. Aber das ist nun das geringste Problem. Für einen Moment hocke ich noch hier oben lasse die letzten Minuten Revue passieren. Alex sagt mir, wie stolz und gleichzeitig fasziniert er von meiner Leistung ist. Kurz sprechen wir darüber und dann weißt er mich auf eine weitere Schönheit der Höhle hin. Vom inneren der Höhle sieht man durch den Tunnel das ewige Blau des Meeres, ein wunderschöner Anblick. Wir machen die Lampen aus und genießen die Stille der Tiefe, nur leicht schlägt das Wasser an die braungraue Felswand der Höhle, die wir nun gleich wieder der ewigen Dunkelheit überlassen.

Wir bereiten uns auf den Rückweg vor. Ich lege das Equipment wieder an und wir machen uns auf. Ein letzter Check und wir lassen die Luft aus den Tarierwesten und sinken ins schwarzdunkle Wasser ab, tauchen in Richtung Höhlenausgang. Welch unglaubliches Gefühl, wenn man aus dem Tunnel wieder in das weite Blau des Meeres eintritt. Der Kontrollblick auf mein Finnimeter verrät mir, dass meine Flasche immer noch 50 bar hat, also nur 45 bar verbraucht, seit der Panikattacke. Alles in bester Ordnung. Als wir wieder an Bord des Bootes sind, haben wir viel zu erzählen.

Ein Cacheerlebnis wie dieses ist für mich einmalig. Von daher ist dieser Cache auf meiner Favoritenliste die Nummer 1. In drei Jahren 6 Funde und mein Besuch am 16.5.16 war bis dato der letzte.

Noch heute denke ich oft an diesen Tag, dieses Abenteuer zurück und es gibt mir sehr viel. Ich habe es geschafft, vor allem auch der Umgang mit der Notsituation. Durch solche Geschehnisse kann ich mich weiterentwickeln.

Klar, nicht jeder denkt oder empfindet so. Manch einer will vergleichbares nicht einmal im Ansatz erfahren, doch dies ist die Welt in der ich mich zu Hause fühle, die Welt, welche mir letztlich sagt, wer ich bin und was ich zu leisten im Stande bin und ob bzw. wie ich mit meinen Ängsten umgehen kann, ob ich sie überwinden kann, oder mich ihnen ergebe und sie damit mein Leben bestimmen. Unter anderem bin ich diesem Hobby für diese und weitere Erfahrungen dankbar, auch wenn meine Zeit des Dosensuchens inzwischen zu Ende ging, bzw. nur noch in einer stark reduzierten Form mich begleitet und das ist auch gut so. Es gibt noch ein paar Herausforderungen und die werde ich irgendwann angehen.